Der Ideenwettbewerb für den Grasbrook ist entschieden

Der städtebauliche und freiraumplanerische Ideenprozess, den die HafenCity Hamburg GmbH gemeinsam mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen sowie der Behörde für Umwelt und Energie für den neuen Stadtteil Grasbrook am Südufer der Norderelbe ausgelobt hatte, wurde am 3. April mit der finalen Jury-Sitzung abgeschlossen. Der prämierte Entwurf des Teams Herzog & de Meuron und Vogt Landschaftsarchitekten wird nun das städtebauliche und freiraumplanerische Gesamtbild des Stadtteils Grasbrook bestimmen. Die nächsten Schritte sind die Erstellung einer detaillierten Funktions- und Bebauungsplanung, die Vergabe der Grundstücke und die weitere architektonische Planung der einzelnen Gebäude. Erste hochbauliche Maßnahmen könnten in 2023 beginnen.

Innovatives Wettbewerbs-Verfahren: Städtebau und Freiraum auf „Augenhöhe“

Die nun abgeschlossene städtebauliche und freiraumplanerische Qualifizierung des Stadtteils Grasbrook hat zum Ziel, eine qualitätvolle Funktionsplanung als Grundlage für die spätere Bebauung zu erstellen. Als Verfahren wurde der so genannte Wettbewerbliche Dialog gewählt, der eine kontinuierliche Bearbeitung der Auslober und Planungsbüros im Dialog sowie eine sehr weitgehende Beteiligung der Öffentlichkeit ermöglicht. Als besonders innovatives Element wurde die Freiraumplanung nicht als „nachträgliche Begrünung“, sondern als gleichberechtigter Wettbewerbsbestandteil zeitgleich mit dem Städtebau bearbeitet.

Luftbild von Grasbrook mit Umrandung des Gebietes und Herovrhebungen an Grenze zur Veddel

(Die Abbildung zeigt das Wettbewerbsgebiet des Wettbewerblichen Dialogs)

Diagramm: Öffentliche und private Freiflächen
Diagramme: Wasserfläche und Landfläche sowie Wohnen, Gewerbe und Sonderfläche

Der Wettbewerbliche Dialog als kombiniertes und zweiphasiges Verfahren (EU-weites Vergabeverfahren gem. § 18 VgV) für die zeitgleiche Qualifizierung der städtebaulichen und freiraumplanerischen Gestaltung des neuen Stadtteils Grasbrook startete im September 2019. Zuvor hatten sich im Rahmen eines vorgeschalteten Teilnahmewettbewerbs jeweils sechs Städtebau- und sechs Landschaftsarchitekturbüros für die Teilnahme qualifiziert.

In der ersten Jury-Sitzung am 3. Dezember 2019 wurden sechs aus insgesamt zwölf teilnehmenden Büros für die Vertiefungsphase ausgewählt. Außerdem bildeten diese sechs „Finalisten“ dann drei Teams aus jeweils einem Planungsbüro für Städtebau und Freiraum, die dann ihre zu kombinierenden städtebaulich-freiraumplanerischen Entwürfe gemeinsam weiter konkretisierten. Im Rahmen der zweiten Jurysitzung am 3. April 2020 wurde der Wettbewerbliche Dialog mit einer finalen Entscheidung abgeschlossen.

Diagramm: Entwicklung und Bürgerbeteiligung bis 2020

Das gesamte Wettbewerbsverfahren Grasbrook wurde durch einen intensiven Beteiligungsprozess begleitet, der in einer Mischung aus öffentlichen Veranstaltungen und Online-Angeboten auf ein großes Interesse der Öffentlichkeit traf. Insgesamt haben circa 2.500 Bürgerinnen und Bürger ihre Anregungen, Befürchtungen und Ideen in den Prozess eingebracht. Auch nach der Entscheidung des Wettbewerblichen Dialogs werden die nächsten Planungsschritte mit vielfältigen öffentlichen Beteiligungsmöglichkeiten begleitet. Mehr Informationen zum Thema öffentliche Beteiligung unter „Mitwirken“.

Der Wettbewerbliche Dialog wurde gemeinsam von der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, der Behörde für Umwelt und Energie sowie der HafenCity Hamburg GmbH ausgelobt. In die Aufgabenstellung für die Planungsteams flossen die Ergebnisse der umfassenden Standortanalyse, der vorlaufenden Beteiligungsprozesse  (u. a. „Grasbrook-Werkstätten“) sowie erste Ansätze zu den strategischen Innovationsthemen ein.

Digitale Tools für Planung und Beteiligung

Grasbrook "City Scope" – Wissenschaftliche Begleitforschung neuer Planungstools

Im Wettbewerblichen Dialogverfahren zum Stadtteil Grasbrook wurde erstmals das neue Planungstool „City Scope“ eingesetzt, das derzeit von der Digital City Science der HafenCity Universität in Kooperation mit dem MIT Media Lab des Massachussetts Institute of Technology und der HafenCity Hamburg GmbH (HCH) entwickelt wird. Am Beispiel Grasbrook wurde untersucht, wie digitale Analysetools für iterative Entwurfsprozesse und die Auswertung städtebaulicher und freiraumplanerischer Entwürfe eingesetzt werden können. Im Unterschied zur konventionellen Vorprüfung in städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerben anhand von schwer vergleichbaren und teils stark qualitativen Bewertungsformen ermöglicht das Werkzeug das unmittelbare, quantitative Arbeiten annähernd in Echtzeit und integriert umwelt- und nutzungsbezogene Aspekte, um neuen Fragestellungen der Nachhaltigkeit und urbaner Komplexität während einer frühen Planungsphase gerecht zu werden.

Im städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerb Grasbrook wurden den teilnehmenden Planungsteams während der Vertiefungsphase (September 2019 bis Februar 2020) ein Online Tool zur Verfügung gestellt, mit denen sie für ihre jeweiligen Entwurfsstände entsprechende Analysen durchführen konnten:

  • Modul Noise (Ausbreitung von Straßen- und Schienenlärm)
  • Modul Stormwater (Regenwasserabflussvolumen)
  • Modul Walkability (Fußläufige Erreichbarkeit von sozialer Infrastruktur)

Das Wettbewerbliche Dialogverfahren Grasbrook diente als Reallabor im Sinne einer wissenschaftlichen Begleitforschung und zur ersten Validierung des City Scope-Tools. Es ersetzte jedoch nicht die konventionelle Vorprüfung in diesem Verfahren.
Eine Weiterentwicklung des Tools erfolgte im Laufe der nächsten Planungsschritte im Rahmen der integrierten Funktionsplanung ab Mai 2020. Auch hier wurde der Planungsprozess als Reallabor genutzt, die Entwicklung der Tools mit den von der HCH beauftragten Planern diskutiert. Zum einen wurde die Auflösung verbessert, um der Konkretisierung im laufenden Planungsprozess gerecht zu werden. Diesbezüglich wurde eine Schnittstelle zum City BIM (CIM) geschaffen, das die Städtebauer und Landschaftsplaner laufend aktualisieren. Zum anderen wurden die o.g. Module zu Lärm und Wasser überarbeitet und es werden derzeit neue Module hinzugefügt:

  • Modul Urbanität (Menschenströme in Abhängigkeit der Nutzungsverortung)
  • Modul Wind (in Planung, ggf. in Kombination mit Besonnung, Beschattung, Mikroklima)

Dieses Tool ist für die Planenden ebenfalls über eine Online Maske zugänglich, die im laufenden Kooperationsjahr hinsichtlich Nutzerfreundlichkeit und der Verwendung unterschiedlicher Anwendungsfälle weiterentwickelt wird. Digital City Science erarbeitet in Zusammenarbeit mit der HCH unterschiedliche Workshop-Formate zur Anwendung des Tools in frühen Diskussionsphasen, während des Wettbewerbs oder zur Behandlung konkreter Planungsfragen mit unterschiedlichen Stakeholdergruppen.

Die Ergebnisse werden laufend in wissenschaftlichen Journals publiziert, das erste Paper wurde bereits veröffentlicht, ein weiteres befindet sich derzeit im Peer Review Prozess.

Simulationsoutput Gracio Modul Lärm City Scope

Simulationsoutput Gracio Modul Lärm (HCU Digital City Science, 2020)

Simulationsoutput Gracio Agentenbasiertes Modell City Scope

Simulationsoutput Gracio Agentenbasiertes Modell (HCU Digital City Science, 2020)

BIM-Building Information Modeling

Als ein weiteres digitales Planungstool wurde im Wettbewerblichen Dialog BIM eingesetzt. Die dreidimensionalen BIM-Planungsmodelle ermöglichten der Ausloberin sowie den Planungsbüros, während des Prozesses die Erreichung der quantitativen Zielgrößen zum Beispiel für Wohnungsbau oder öffentliche Flächen kontinuierlich zu verifizieren und anzupassen. Auch weiterhin dienen die BIM-Modelle als unverzichtbare gemeinsame Planungsgrundlage aller am Prozess beteiligten Fach- und Planungsbüros.

DIPAS – Digitales Partizipationssystem

Ein weiteres digitales Tool erweiterte die Möglichkeiten der öffentlichen Beteiligung. Vom 30. November 2018 bis zum 24. Februar 2019 bot das Digitale Partizipationssystem DIPAS die Gelegenheit, auch online Vorschläge, Kritik oder Fragen zum neuen Stadtteil einzubringen sowie an Umfragen teilzunehmen. Im Rahmen der Grasbrook-Werkstätten wurden außerdem als Pilotprojekt im Zuge der Entwicklung interaktive Touchtables während der Veranstaltungen eingesetzt. Durch zahlreiche Karten und Geodaten zum Projektgebiet ergänzten die DIPAS-Tische das Informationsangebot vor Ort. Gleichzeitig konnten sich die Gäste mit dem Zwischenstand der laufenden Onlinebeteiligung zum Grasbrook vertraut machen und eigene Beiträge verfassen. Die „Daten zum Anfassen“ zu Themen wie Lärm, Verkehrsanbindung oder Baudenkmäler im Projektgebiet des Grasbrooks trugen zu einer lebhaften Diskussion zwischen Bürgerinnen und Bürgern und den Projektverantwortlichen bei. Alle digital verfassten Beiträge wurden gemeinsam mit den übrigen Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger aus den Werkstätten ausgewertet. DIPAS wurde im Rahmen eines dreijährigen Forschungs- und Entwicklungsprojekts unter der Leitung der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) mit dem Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung (LGV) und dem City Science Lab der HafenCity Universität (HCU) entwickelt.

Teilnehmende Büros der Phase 2 (Vertiefung)

In der zweiten und finalen Jury-Sitzung am 3. April hatte das aus unterschiedlichen Fachdisziplinen und politischen Vertretern zusammengesetzte Preisgericht unter Vorsitz von Prof. Matthias Sauerbruch (sauerbruchhutton) folgende Prämierung vorgenommen:

Teilnehmende Büros der Phase 1 (Konzept)

Folgende Büros waren im Rahmen des vorlaufenden Teilnahmewettbewerbs für das Verfahren ausgewählt worden:

STÄDTEBAULICHER FUNKTIONSPLAN

1. ADEPT ApS
Kopenhagen, Dänemark
www.adept.dk

2. gmp International GmbH
Hamburg, Deutschland
www.gmp-architekten.de

3. Herzog & de Meuron Basel Ltd.
Basel, Schweiz
www.herzogdemeuron.com

4. KCAP International B.V.
Rotterdam, Niederlande
www.kcap.eu

5. Mandaworks AB
Stockholm, Schweden
www.mandaworks.com

6. MVRDV B.V.
Rotterdam, Niederlande
www.mvrdv.nl

FREIRAUMPLANUNG

1. Atelier Loidl
Landschaftsarchitekten Berlin GmbH
Berlin, Hamburg
www.atelier-loidl.de

2. Karres en Brands RB
Hilversum, Niederlande
www.karresenbrands.nl

3. Ramboll Studio Dreiseitl GmbH
Hamburg, Deutschland
www.dreiseitl.com

4. Studio Vulkan Landschaftsarchitektur GmbH
Zürich, Schweiz
www.studiovulkan.ch

5. VOGT Landschaftsarchitekten AG
Zürich, Schweiz
www.vogt-la.com

6. WES GmbH LandschaftsArchitektur
Hamburg, Deutschland
www.wes-la.de

Aufgabenstellung des Wettbewerblichen Dialogs:

  • Räumliche und nutzungsbezogene Identitätsbildung der Teilräume/Quartiere
  • Hohe Dichte und innerstädtische Nutzungsintensität
  • Hochwertige Freiräume und Förderung urbaner Ökosysteme
  • Urbanität durch Nutzungsmischung aus Wohnen, Büro, Bildung, Kultur, Forschung und Entwicklung
  • Lärmschutz gegenüber den Verkehrstrassen im Osten und dem Hafen im Süden
  • Umgang mit (geschützten) Bestandsgebäuden und bestehenden Raumstrukturen
  • Berücksichtigung von Biodiversität und Klimawandel bei Aspekten des Stadtklimas und der urbanen Wasserkreisläufe
  • Ökologische Aufwertung der Uferzonen und Einbindung der Wasserflächen
  • Erarbeitung eines nachhaltigen Erschließungs- und Mobilitätskonzepts
  • Mitdenken einer innovativer Ver- und Entsorgung (CO2 Neutralität)
  • Wirtschaftlichkeit der Bebauungs-, Erschließungs- und Freiraumstruktur

Die Auslobungsbroschüre zum Wettbewerblichen Dialog